Beiertheimer Geschichte(n)
Das Stephanienbad
Die Beiertheimer Familiennamen und ihre Entstehung
Chronik Beiertheims
historische Bilder

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Das Stephanienbad

Geschichte eines Hauses und die Entstehung der Paul-Gerhardt-Gemeinde
1. Teil

Trotz größtem Widerstand der Beiertheimer Bevölkerung, erhielt ein gewisser Werkmeister Berkmüller im Jahre 1780 die Baugenehmigung für ein Badehaus. Schon kurze Zeit später begann der Bau, obwohl die damaligen Dorfbewohner alles andere als damit einverstanden waren, denn sie fürchteten um die Gesundheit ihres Viehs, welches nur wenige Meter Alb abwärts, also kurz unterhalb des Badehauses, zur Tränke geführt wurde.

Durch ein Großfeuer wurde 1805 die ganze Badeanstalt, eine reine Holzkonstruktion, komplett zerstört.
Trotz der allgemeinen Unbeliebtheit des Bades fand sich schnell ein interessierter Käufer und Andreas Marbe, auch bekannt als der Hirschwirt, erwarb das gesamte Gelände. Trotz vieler Ressentiments setzte er seine Vision einer großzügigen Badeanstalt durch und konnte schließlich am 12. Juni 1807 mit zahlreichen Gästen die Neueröffnung feiern.
So groß die Abneigung der Beiertheimer Bürger war, so großer Beliebtheit erfreute sich die Anstalt, die Wirtschaft und das künstlich mit Mineralien angereicherte Kurbad innerhalb der Stadtbevölkerung.
Johann Peter Hebel, bekannter Karlsruher Dichter und Lehrer, schrieb am 7. August 1812 folgendes an seine langjährige Freundin Gustave Fecht:
„Ich habe Ihnen schon lange nichts mehr von Beuertheim gesagt. Dort ist iez ein ganz neues Leben los. Viele Leute logiren draußen, die das Bad mit gutem Erfolg curmäßig brauchen, und kommen in die Stadt spaziren, wie wir aus der Stadt aufs Land. Alle Sonntag ist draußen große Tafel, woran ich Vergnügen finde. […] Biß man abgespeist hat sind die Gallerien und der Tanzsaal angefüllt. […] Wenn man nur immer Geld genug hätte. Für das Loswerden darfs einem nicht bang seyn.“
Schon bald konnte Marbe umfangreiche Erweiterungen vornehmen. Er gewann sogar die Unterstützung des wohlbekannten Oberbaudirektors Friedrich Weinbrenner, der auf dem Bauplatz einer alten Holzhütte, die als Tanzsaal diente, ein prunkvolles Gesellschaftshaus errichtete.
Sogar in der ältesten Stadtbeschreibung Karlsruhes, in Theodor Hartlebens „Statistisches Gemälde der Residenzstadt Karlsruhe und ihrer Umgebungen“, findet das Bad im Jahre 1815 Erwähnung. Hartleben schreibt hier:
„So ertönt besonders Sonntags und Mittwochs eine einladende Tanz-Musik aus dem eleganten nach Hr. Oberbaudirektor Weinbrennes Plane angelegten Marbeschen Wirtschafts-Gebäude, dessen Äußeres sich durch zwey große dorische Säulen in der Mitte auf beyden Seiten sowie durch hohe Fenster imponierend darstellt. Eine große doppelte Treppe auf zwey Seiten führet über einen Ruheplatz, einer Altane gleichend, und durch einen kleinen kühlen Vorsaal in den geschmackvoll dekorierten Tanzsaal, dessen von Hr. Sandhas gemahlte Decke den Beyfall aller Beobachter und Kenner verdient. Der Saal ist oben für die Zuseher mit einer Gallerie auf kleinen Pilastern ruhend umgeben und längs jener sind viele Zimmer angebracht, wo sich das Puplikum in kleinere Gesellschaften freuen und jeder Gattung anständigen Vergnügen widmen kann. In dem Mittelpunkt befindet sich ein kleinerer Tanz – und Speisesaal – im Sommer wird hier Sonntags Gesellschaftstafel gegeben – welcher die Aussicht in den großen Tanzsaal gewähret. Das etwas tiefer angebrachte Orchester vertheilt den Genuß des Tonspiels für die Tanzlustigen in beyde Säle. – Vor dem Hause kann man sich in einer geschmackvollen Garten-Anlage mit mannigfaltigen Spielen ergötzen oder die angrenzenden, längs der Alb angebrachten Badekabinetten besuchen, in welchen nach Belieben kaltes oder warmes Flusswasser oder künstlich bereitete Wässer die Wannen füllen.“
Das von Weinbrenner geplante, klassizistische Gesellschaftshaus beherbergt heute die Kirche unserer Gemeinde. Die Innenarchitektur hat sich in der Zwischenzeit grundlegend verändert.
Die ursprüngliche Raumplanung Weinbrenners wurde nach dem Wideraufbau 1945 völlig neu eingeteilt. Unser heutiger Vorraum war zweimal unterteilt und im heutigen Kirchenraum fehlten die Galerie und die farbliche Deckengestaltung. Lediglich der Standort unserer Orgel entspricht dem Platz, an dem früher das Orchester zum Tanz anregte. Der heutige „Rittersaal“ entspricht dem von Theodor Hartleben erwähnten kleinen Tanz- und Speisesaal, mit Sicht auf den großen Saal.
Auch die damalige Außenanlage unterscheidet sich gravierend von unserer heutigen. Rund um das Stefanienbad, bis hin zur Schwarzwaldstraße, erstreckte sich einst ein prachtvoller Englischer Garten von atemberaubender Schönheit, angelegt von Herrn Hofgärtner Hartweg persönlich. Hier erfreute auch die 1772 gepflanzte, mit 39,5 m größte kanadische Pappel Europas, die Augen der Betrachter.
Heute ist von dieser damaligen Fauna kaum etwas erhalten. Die Alb erhielt ein neues Flussbett, die eigentlichen Badeanstalten sind verschwunden und die Bahngleise verschlangen fast den gesamten Garten. Auch die oben erwähnte Pappel wurde im persönlichen Beisein des Großherzog Friedrichs II. am 31.1.1908 gefällt.
Trotz Marbes ununterbrochener Arbeit und ständig neuen Werbeideen stand es am Anfang des 19.Jahrhunderts immer schlechter um die finanzielle Situation des Bades. Kostenintensive Wartungsarbeiten, wie das ständige Zuführen von heißem Wasser oder das Reinigen des kompletten Geländes forderten ihren Tribut und auch die Zahlungskräftigkeit der Bevölkerung ließ während der napoleonischen Kriege deutlich nach.
Doch Marbe weigerte sich aufzugeben und ersann immer neue Pläne zur Rettung seines Traumes. Ob ein Edelkrebsessen im Sommer, Eierlesen an Ostern, ein Erntedankfest mit Pferderennen, ein Baumkletterwettbewerb oder ein Bürgerball anlässlich des Geburtstags des Großherzogs, die Fantasie des Badbesitzers kannte kaum Grenzen.
So entstand auch der Name des heutigen „Stephanienbads“.
Auf der Suche nach einem klangvollen Titel für seine Beiertheimer Badeanstalt, besann er sich auf Großherzogin Stephanie und bat diese persönlich um Erlaubnis, das Bad nach ihr zu benennen.
Die Großherzogin kam ursprünglich aus Frankreich und hieß Stephanie de Beauharnais. Im Zuge von Napoleons „Heiratspolitik“ wurde sie mit Großherzog Karl von Baden verheiratet, um so das badische Herrscherhaus enger an Frankreich zu binden. Am 24. März 1817 erhielt Marbe die offizielle Befugnis, sein Bad nach der Adoptivtochter Napoleons, Stephanienbad zu nennen.
Jeglicher Ideenreichtum konnte Andreas Marbe jedoch nicht davor bewahren sich 1827 von seinem Gesellschaftshaus zu trennen, das fortan als Mietshaus genutzt wurde. Die Badeanstalt bewirtschaftete er noch bis zu seinem Tode im Jahre 1832.
Es folgte eine Zeit, in der das Stefanienbad öfters den Besitzer wechselte, als das Wasser in den Becken. Wirklich Glück brachte es keinem und so ließ man es langsam vergammeln.
Fortsetzung folgt…
Stefanie Linder

2. Teil

Dieser bemitleidenswerte Zustand hielt an bis zum Sommer 1880, als sich der Hannoveraner Schmiedemeister Karl Knust für das Anwesen interessierte und es für ca. 48 000 Mark erwarb. Er begann die alten Räumlichkeiten zu renovieren und kümmerte sich liebevoll um die Widerinstandsetzung. Sein Hauptaugenmerk legte er dabei auf die Wäscherei, von der er sich in Zeiten der Handwäscherei am meisten versprach. Die reicheren Bürger gaben ihre Wäsche zur Reinigung aus dem Haus, aber in den normalen Familien fehlten sowohl das Geld als auch die Zeit für eigene Waschküchen oder Personal. Knust beschäftigte bis zu 60 Wäscherinnen und avancierte somit zum Hauptarbeitgeber Beiertheims.
Plötzlich war das Bad auch kein so großer Dorn mehr im Auge der Einwohner und man begann sowohl den Eigentümer als auch die Einrichtung zu schätzen.
Mit dem nachlassenden Misstrauen wuchsen auch die Besucherzahlen deutlich an. In den Sommern 1880/81 erwirtschafteten die Wannenbäder und das 10-Pfennig-Flussbad so gute Erträge, dass Knust nun auch die Badestätten neu ausbaute. Man erweiterte die Anlage um 32 Einzelkabinen mit in den Boden versenkten Badewannen, ein Schwimmbad für Männer und ein Becken mit geringer Tiefe für Knaben. Außerdem bot das Stefanienbad nun ein Wellenbad im Herrenbereich und auch das Gesellschaftshaus wurde wieder bewirtschaftet. Der Tanzsaal und der kleine Saal wurden den vergnügten Gästen wieder zugänglich gemacht.
Einige Zeit später eröffnete sogar ein separates Damenschwimmbad, was zu jener Zeit wahrlich etwas Besonderes war.
Protest gab es lediglich seitens der katholischen Kirche, genauer gesagt vom katholischen Pfarrer aus Bulach, der sich um die Sittlichkeit und den Werteverfall sorgte. Als Knust ihm jedoch lebenslang freien Eintritt zum Warmwasserbad versprach, verstummte sein Protest ebenso plötzlich wie er aufgekommen war.
Trotz der alternativen Badegelegenheiten im Vierordtsbad, der Rheinbäder und der Militärschwimmschule, nahmen die Besucherzahlen des Stephanienbades nicht ab.
Umso größer war dann auch der Protest der Karlsruher, als ein Artikel der Karlsruher Nachrichten am 10. Juli 1881 verkündete:
„[…] wurde auf Grund der bezirkspolizeilichen Vorschrift vom 6. Juni 1865 durch das Bürgermeisteramt Beiertheim das Baden in der Alb zwischen Stephanienbad Beiertheim und Rüppur bei 5 M. Strafe verboten. […] Seit ältesten Zeiten ist der genannte Platz das Freibad Karlsruhe’s und werden sich wohl viele alte Herren mit Vergnügen der goldenen Jugendzeit erinnern, wo sie sich hier in der Alb tummelten und die ersten Schwimmversuche unternahmen. […]“
Schon bald wurde dieses Verbot auf Grund von mangelnder Begründung, zum Wohle der Allgemeinheit wieder aufgehoben.
1902 übernahm Carl August Knust die Badeanstalt von seinem Vater und begann ebenfalls neue Ideen zu verwirklichen. Zuallererst erweiterte und modernisierte er aber die Wäscherei, die immer noch die Haupteinnahmequelle des Betriebs darstellte. Das Stefanienbad verfügte ab diesem Zeitpunkt über die wahrscheinlich erste Beiertheimer Waschmaschine mit Schleuder und Trommel.
Den Biergarten und die Restaurationsräumlichkeiten im Gesellschaftshaus wurden verpachtet und Carl August Knust kümmerte sich mit zunehmender Euphorie um den Ausbau des Bades.
1903 schockte er die Öffentlichkeit mit dem „ersten Karlsruher Licht-, Luft-, und Sonnenbad“. In diesen sittenstrengen Zeiten war diese offizielle Nacktheit eine absolute Attraktion für die sonst so zugeknöpften Städter und rief natürlich sofort sämtliche Behörden auf den Plan. Der Kreisarzt sprach sogar von einem ausgemachten Schwindel der Naturheilmethode.
Doch wie alles Verbotene und Verwerfliche strahlte das „erste Karlsruhe Licht-, Luft-, und Sonnenbad“ einen besonderen Reiz aus und Dank der Neugier der Karlsruher setzte es sich sogar durch.
Zwischen Herren- und Damenabteilung wurden zwei Holzwände mit 50 cm Abstand und 2,50 m Höhe aufgestellt und um jeglichen Sittenwächtern die Munition zu nehmen, erhielten alle Fugen noch eine zusätzliche Deckleiste. Sonnenbaden 1903 glich also mehr dem Aufenthalt in einem nach oben offenen Hasenstall.
Doch auch diese Hochzeit des Stefanienbads sollte nicht lange anhalten. Im beginnenden 20. Jahrhundert befand sich der Karlsruher Bahnhof noch in der Kriegsstraße und sollte im Zuge der Stadterweiterung nach Süden zu seinem heutigen Standort verschoben werden.
Da man hierfür auch die Weiten der Beiertheimer Felder benötigte, wurde das einstmals unabhängige Dorf am 1. Januar 1907 in Karlsruhe eingemeindet.
Einzig Carl August Knust wehrte sich gegen die geplante Gleisverlegung, die nicht nur die schöne Gartenanlage zerstören würde, sondern auch den Abriss der Bäder und der Wäscherei erfordern würde.
Dieser erbitterte Kampf endete mit einem Enteignungsprozess, in dessen Folge Knust gerade mal 350 000 Reichsmark als Entschädigung erhielt.
1905 mussten so das Bad und die Wäscherei ihren Betrieb einstellen und am 31. Januar 1908 wurde die bis dahin größte kanadische Pappel Europas gefällt.
Allein das Gesellschaftshaus und eines der Wirtschaftshäuser blieben bestehen. Die Überreste des Stefanienbads fristeten ihr Dasein mit kleineren Festen, die in den Räumlichkeiten des Gesellschaftshauses abgehalten wurden und mit Proben des Beiertheimer Gesangvereins. Es war unter Studenten sogar bis über die Grenzen Stuttgarts hinaus bekannt, da hier bis zum Anfang des 1. Weltkrieges die verbotenen Mensuren der Korpsstudenten geschlagen wurden. Ungefähr auf der Höhe des heutigen Altars und im Rittersaal fochten die Studenten, während im Nebenzimmer ein Arzt für die „Verwundeten“ bereit saß.
Doch wie entstand aus den kümmerlichen Überresten des Stephanienbades unsere heutige, wunderschöne evangelische Kirche? Und wie wurde unsere Gemeinde zur Paul-Gerhardt-Pfarrei?
Fortsetzung folgt…
Stefanie Linder

3.Teil

Im Jahre 1536 erhielt Bulach seinen ersten evangelisch-lutherischen Pfarrer.
Nach dessen Tod 1564 trat Magister Petrus Kellner zu Hördt a. Rh. sein Amt an, wurde jedoch bereits 1573 im Zuge der Wiederherstellung des katholischen Glaubens vertrieben und durch den katholischen Kaplan Sebastian Rapp ersetzt.
Zur Zeit des 30jährigen Krieges brannte die Pfarrei Bulach ab und der Gottesdienst wurde von 1671-1771 von den Ettlinger Jesuiten abgehalten. 1871 wurde Beiertheim/Bulach evangelisches Diasporagebiet.
Die wenigen evangelischen Familien in Bulach und Beiertheim, mit dem Zuzug der Familie Knust acht an der Zahl, feierten ihre Gottesdienste ab dem 15. Januar 1899, da man keine eigene Kirche besaß, in einem Nebenraum der Wirtschaft des Stefanienbads.
Sicherlich ist es nachvollziehbar, dass auf Dauer der gleichzeitige Betrieb einer Wirtschaft und eines Gotteshauses schlichtweg unmöglich war und man 1902 schließlich auf einen Saal im Schulhaus auswich. 1905 folgte der nächste Umzug der kleinen evangelischen Gemeinde in die Beiertheimer Turnhalle.
Am 15. Juni 1926 mietete die evangelische Kirchengemeinde von der Stadt das leer stehende Gesellschaftshaus. Im großen Saal sollten zukünftig die Gottesdienste abgehalten werden und zusätzlich wollte man einer Schwesternstation und einem Kindergarten Raum bieten.
Im Jahre 1929 wurde die Diasporagenossenschaft Beiertheim/Bulach schließlich zu einer eigenen Pfarrei – der Melanchthonpfarrei, die die Stadtteile Beiertheim, Bulach, Weiherfeld und Dammerstock umfasste.
Mit den beginnenden Wirren des 2.Weltkrieges tauchten erste Probleme für die Pfarrei und das Gottesdienstgebäude auf. Die Stadt Karlruhe hatte dem Reichsrundfunk das Gebäude als Sendestelle angeboten und drohte somit mit der Kündigung. Einzig dem parallel verlaufenden Bahndamm ist es zu verdanken, dass das Haus als Sendestelle unbrauchbar und somit in der Hand der Kirche bleiben konnte. Schließlich zog die Kirche den käuflichen Erwerb des Gebäudes in Betracht, um zukünftig nicht mehr vor solche Gefahren gestellt zu werden.
Aus finanziellen Gründen strengte man einen Tausch an, bei dem die NSDAP den Schmiederplatz – der sich seit 1921 in kirchlichem Besitz befand – als Aufmarschgelände und die Melanchthonpfarrei das alte Gesellschaftshaus erhielten. Zusätzlich zahlte die evangelische Kirche 300 000 Reichsmark unter der Hand.
Am 1. Januar 1942 konnte die Kirchengemeinde das Stefanienbad ihr Eigen nennen. Die Urkunde erhielt man aber erst am 13. Juni 1944, da die Holzkonstruktion des Gebäudes so massiv von Holzwürmern befallen war, dass die Stadt auf eigene Kosten diese entfernen musste. Nach Ablauf der 2 ½ Jahresgarantie wurde die Beurkundung vorgenommen.
Nach dem 2.Weltkrieg vergrößerten sich die Stadtteile Weiherfeld und Dammerstock so rapide, dass 1947 die Friedenspfarrei ins Leben gerufen wurde, die die beiden einschloss.
Das Gebiet südlich der Vorholzstraße zählte von nun an zur Melanchthonpfarrei.
Paul Gerhardt


Doch schon1956 standen die nächsten Veränderungen ins Haus: Das Gebiet zwischen Vorholzstraße und Ebertstraße blieb Melanchthongemeinde während Beiertheim/Bulach zunächst Pfarrvikariat und zum 1. Juli 1957 zur Paul-Gerhardt-Pfarrei wurde.
Der Namensgeber unserer Gemeinde, Paul Gerhardt, war neben Martin Luther wohl der bedeutendste deutsche Liederdichter. Seine Lieder sind sehr oft Bearbeitungen von Bibeltexten und Psalmen. Im heutigen evangelischen Gesangbuch finden sich 40 seiner Weisen wieder, unter anderem O Haupt voll Blut und Wunden, Ich steh’ an deiner Krippe hier, Lobet den Herren, Nun ruhen alle Wälder und Geh aus mein Herz und suche Freud.
Beim Angriff am 4. Dezember 1944 wurde das Stephanienbad so empfindlich durch die Detonation zweier Sprengbomben getroffen, dass es unbenutzbar wurde. Nach langer Überlegung entschied man sich doch für den Wiederaufbau und am 10. November 1957 wurde das Haus mit einem festlichen Gottesdienst seiner Bestimmung übergeben.
Ab Mitte der 90er Jahre wurde das Stephanienbad durch das Architekturbüro Ruser + Partner saniert. Risse im Bau, Feuchtigkeit und „ungastliche“, unzweckmäßige Raumgestaltung gaben den Ausschlag dazu.
Unter dem Motto „Neue Offenheit“ erschufen die Architekten ein völlig neues, freundliches und lichtdurchflutetes Raumkonzept.

Der große rechteckige Kirchensaal wurde kreuzförmig zu den Seiten hin geöffnet und durch variable Bestuhlung entsteht so ein vielfältig nutzbarer Raum.
Die störenden Zwischenwände wurden entfernt und durch schmale Pfeiler ersetzt. Der hölzerne Dachstuhl wurde freigelegt und der Betrachter erhielt den Blick auf die knapp 200 Jahre alten Holzbalken aus Weinbrenners Zeiten.

Die Nutzfläche des Stephanienbades wurde so auf 900 Quadratmeter vergrößert und trotzdem können kleinere Gruppen die Räume nutzen, ohne sich dort zu verlieren.
Auch die Haustechnik wurde grundlegend erneuert und modernisiert. So wurde zum Beispiel ein Aufzug eingebaut, Toilettenräume verschönert und eine moderne Küche eingegliedert.
In den oberen Stockwerken wurden die Überreste der ehemaligen Privatwohnungen entfernt und neue, kleine Räume geschaffen. Hier treffen sich heute verschiedene Kreise, Gruppen und natürlich die Konfirmanden.
Lange hatte die Paul-Gerhardt-Gemeinde für die Bewilligung dieses Umbaus kämpfen müssen. Zehn Jahre arbeiteten die Helfer und Helferinnen der Gemeinde auf diese Genehmigung hin. Schließlich stimmte die evangelische Kirche zu und bewilligte DM 2,4 Millionen. Der Rest für die 3,6 Millionen teure Renovierung wurde durch Sponsoren, Spenden, gute Ideen und emsige Helfer, wie zum Beispiel durch Hilfe des Handarbeitskreises, aufgebracht.
Erwähnt werden müssen hier auch die katholischen Schwestergemeinden St. Michael und St. Cyriakus, ohne die diese Renovierung nie möglich gewesen wäre. Sie beherbergten während der Dauer des Umbaus die evangelische Gemeinde in der St. Michaels Kapelle und der Bulacher Kirche. Der Impuls für diese Ökumene war riesengroß.
Das geschichtsträchtige Weinbrenner-Haus ist mittlerweile nicht mehr nur Herberge für die Paul-Gerhardt-Gemeinde, sondern auch Bibliothek, Kulturstätte, Festsaal und Begegnungsstätte in einem. Jedes Jahr bekommen Konfirmanden die Möglichkeit, in angenehmer Atmosphäre und unter feinfühliger, ideenreicher Leitung, sich auf ihr großes Ereignis vorzubereiten. Dieses Jahr sind es zu Herrn Pfarrer Zumkehrs Freude sogar 25 neue Konfirmanden.
So ist im Stephanienbad wie schon so oft „ein neues Leben los“.
An dieser Stelle möchte sich der Bürgerverein Beiertheim ganz herzlich bei Frau Stephanie Linder für die drei so interessanten Beiträge zur Geschichte des Stephanienbades bedanken.
Stefanie Linder

Bibliographie
I. Quellen

Hartleben, Theodor, Statistisches Gemälde der Residenzstadt Karlsruhe und ihrer Umgebungen. Karlsruhe 1815.
Hebel, Johann Peter, Werke und Briefe. Leipzig 1943.

II. Sekundärliteratur

Huber, Ludwig, Karlsruhe – Beiertheim in Geschichte und Gegenwart. Karlsruhe 1971.
Sauer-Löffler, Birgit, „Vom Gesellschaftshaus zur Kirche. Das Stefanienbad im Spiegel der Zeiten“, in: Hier ist ein neues Leben los. Stephanienbad – Paul – Gerhardt- Gemeinde 175 Jahre Geschichte eines Hauses, Karlsruhe 1987.
Valdenaire, Arthur, Friedrich Weinbrenner. Sein Leben und seine Bauten, Karlsruhe 1926.

III. Zeitungsartikel

„Oeffentlicher Sprechsaal. Das Bad zwischen Beiertheim und Rüppurr“, in: Karlsruher Nachrichten, 10. Juli 1881.
Hugenschmidt, F., „Um die Zehntscheuer. Eine Ehrenrettung und eine Rückschau auf die Geschichte des Hauses“, in: BNN, Nr. 181, 4. August 1951.
Hugenschmidt, F., „Stephanienbad verschwand unter dem Bahndamm. Glanz und Ende des ersten Karlsruher Licht-, Luft- und Sonnenbades“, in: BNN, Nr. 165, 19. Juli 1952.
„Wirtshaus – Paukboden – Kirche. Kuriose Vergangenheit des 150jährigen Stephanienbades“, in: BVZ, Nr. 76, 1. April 1961.
„Hartnäckigkeit hat sich jetzt endlich gelohnt. 10 Jahre kämpfte Paul-Gerhardt-Gemeinde für denkmalgeschützten Bau/ Sponsoren gesucht“, in: BNN, 25. Juli 1995.
„Der Lack ist ab vom einst feinen Stephanienbad. Rund 2,4 Millionen Mark fehlen der Kirche noch für Sanierung des denkmalgeschützten Hauses“, in: BNN, 30. November 1995.
„Aufräumen im Stephanienbad. Die Kirche bewilligt 2,4 Millionen Mark für die Sanierung“, in: BNN, 5. März 1996.
„Stephanienbad wird saniert. Kirchengemeinde geht ins Exil“, in: BNN, 28. Juli 1997.
„Tapete mit Bäumen und Tisch wie auf der Bühne. Vom Zusammenspiel des verstaubten Parketts und einer Altflöte mit Beton und Holzbalken“, in: BNN, 29. August 1997.
„Da Licht bricht sich von allen Seiten Bahn. Weinbrenners-Struktur aufgenommen: Umbau eröffnet vielfältige Nutzungsmöglichkeiten“, in: BNN, 22. Dezember 1998.
Rösch, Dr. M., „Unsere neue Orgel“, in: Gemeindebrief der Evangelischen Paul-Gerhardt Gemeinde Karlsruhe, Nr. 3/04, September/Oktober 2004.

IV. Internet

Stadt Karlsruhe, „Tag des offenen Denkmals. Beiertheim: Ev. Gemeindezentrum Paul Gerhardt, Ehem. Stephanienbad.“, in: www.karlsruhe.de/Historie/Denkmaltag/stephanienbad.php (letzter Besuch 04.10.2004).
Oron, Aryeh, „Paul Gerhardt. Hymn Writer“, in: www.weinbrenner-karlsruhe.de/images/PortraitWeinbrenner.jpg (letzter Besuch 21.10.2004).

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Die Beiertheimer Familiennamen und ihre Entstehung

In früherer Zeit konnten die Menschen anhand der Familiennamen erkennen, aus welchem Dorf in der Umgebung die entsprechende Person stammte. Durch die zunehmende Mobilität der Menschen sind solche Aussagen nicht mehr sicher. Z. B. kamen die Menschen mit Namen „Kutterer“ meist aus Daxlanden, die „Betz“ und „Helfer“ stammten aus Forchheim, die Familien mit Namen „Diebold“ wohnten meist in Bulach und die Familiennamen Braun, Martin, Fischer und Speck kamen in Beiertheim und Bulach gleichermaßen vor.
Wie aber sind die Familiennamen überhaupt entstanden?
In der Zeit bis zum Jahr 1000 hatten die Menschen nur einen Rufnamen. Dieser hatte entweder germanische oder christliche Wurzeln und war zur Unterscheidung der Menschen vollkommen ausreichend. Nach dem Jahr 1000 bildeten sich sowohl größere Städte als auch eine zunehmende Verwaltung. Jetzt wurde es notwendig, die einzelnen Menschen zu unterschei- den. Als Beispiel: In einer Stadt mit vielleicht 1000 Einwohnern gab es 20 Männer, die den Namen Jakob trugen. Wollte man nun zu einem ganz bestimmten Jakob, merkte man sich z. B. dessen Beruf: Jakob, der Schneider. Oder man merkte sich eine besondere Äußerlichkeit: Jakob, der Schieler. Aus dieser Art der Unterscheidung entwickelten sich mit der Zeit die Familiennamen. Anfangs konnten diese wechseln, aber ab ca. 1350 waren sie ein fester Namensteil, der auch vererbt wurde.
Am häufigsten kommen ehemalige Berufe als Familiennamen vor: Bauer, Becker (und Schreibvarianten), Fischer, Maier, Müller, Schmidt (und Schreibvarianten), Schneider, Weber.
Weiterhin wurden Ableitungen von Vornamen als Nachnamen eingesetzt: Brecht, Diebold, Kunz, Martin, Wenz.
Häufig sind auch die äußeren Besonderheiten: Braun, Dürr, Groß, Klein, Kraus, Schwarz, Weiß.

Und letztendlich kommen auch die Herkunftsbezeichnungen als Nachnamen in Betracht:Allgaier, Elsässer, Fichthaler, Frank, Hess, Rastätter.
Viele heute gleichklingende Nachnamen haben sich auf ganz unterschiedlichem Weg entwickelt. Darum kann man nicht sagen, dass alle Träger des gleichen Nachnamens irgendwann vor ein paar hundert Jahren vom gleichen Vorfahr abstammen.
Im 18. Jahrhundert waren folgende Beiertheimer Nachnamen „ortstypisch“:
Algayer, Bohner, Braun, Fischer, Gartner, Martin, Rastätter, Speck, Weber.
Fast 70 % der Beiertheimer Familien konnte man unter diesen Namen finden.Dazu kamen dann durch Einheiratung noch Familiennamen, die in Bulach gehäuft auftraten: Diebold, Fichthaler, Roth, Schätzle, Zöller.
Außerdem kamen aus weiter entfernten Orten noch folgende Namen dazu:
Becker, Degen, Kunz, Schiffhauer, Traub.
Die Namen Degen und Schiffhauer kommen heute in Beiertheim nicht mehr vor, die Namen Bohner und Traub haben sich mehrheitlich nach Bulach verlagert.
Insgesamt blieb das Namensspektrum überschaubar.
Das änderte sich aber recht schnell, als sich Karlsruhe zu einer immer größeren Stadt entwickelte. Die jungen Männer suchten zwar in der Stadt ihr finanzielles Glück, für die Gründung einer Familie siedelten sie sich häufig im Umkreis der Stadt an und brachten mit ihrer Anwesenheit auch neue Namen in den Ort. Bereits im 19. Jahrhundert traten eine Unmenge neuer Nachnamen in Beiertheim auf. Diese Entwicklung nahm mit der Eingemeindung Beiertheims nach Karlsruhe und der Verlegung des Hauptbahnhofs an seine heutige Stelle noch zu. Heute ist die ortstypische Häufung bestimmter Nachnamen in Beiertheim fast ganz verschwunden.

Familiennamen: 2 Hochzeiten 2 Hochzeiten vom 4. Februar 1743 Laut dem oberen Eintrag heiratete ein Joseph Algeyer aus Beiertheim, der Sohn des Anton Algeyer, die sittsame Jungfrau Maria Barbara Speckin, Tochter des Johannes Adam Speck senior aus Beiertheim. Am unteren Eintrag kann man sehr schön die Einheiratung nach Beiertheim eines heute geläufigen Namens in Bulach erkennen: Jakob Butz aus Bruchhausen heiratet die Beiertheimer Witwe Maria Anna Speckin geb. Martin. Der Name Butz hat sich heute ganz nach Beiertheim verlagert.

Hochzeit vom 12. Januar 1750 Hier heiraten 2 Personen aus alten Beiertheimer Familien: Joseph Braun, Sohn des Ignaz Braun, heiratet die Jungfrau Catharina Speckin, Tochter des Jakob Speck aus Beiertheim.

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Chronik Beiertheims

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1110 Erste urkundliche Erwähnung der Ansiedlung „Burdam“ bzw. „Burtan in der Bestätigungsurkunde Kaiser Heinrichs V. über Güterbesitz des Klosters Gottesaue auf Beiertheimer Gemarkung.
13. Jhd. Das Obereigentum des Dorfes geht an die badische Markgrafschaft über.
1379 Der Tigelhof in Beiertheim wird an das Kloster Gottesaue verkauft.
14. – 16. Jhd. Das Dorf gehört zur Markgenossenschaft der Hardtdörfer, die zu ihrem Grundherrn, dem Kloster Gottesaue, in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis stehen.
1488 Beiertheim wird eine Kirchenfiliale von Knielingen.
1521 13. November: Gründung der „Bruderschaft unserer lieben Frauen“ in Beiertheim.
Table 1523
Vollendung des Flügelaltars des unbekannten Meisters L.F. aus Straßburg, der für die Michaelskapelle bestimmt und den Orts- und Kirchenheiligen St. Michael und St. Wendelin geweiht ist.
1527 Erste Erwähnung der St. Michaelskapelle
1535 Bei der Landesteilung wird Beiertheim wegen seiner kirchlichen Zugehörigkeit zu dem baden-badisch gewordenen Bulach auch politisch von der Markgrafschaft Baden-Baden beansprucht.
1556 Nach der Säkularisation des Klosters Gottesaue gehen die Rechte des Klosters über das Dorf an die baden-durlachische Herrschaft über.
1582 Durch eine Entscheidung des Reichskammergerichts wird der Streit über die territoriale Zugehörigkeit Beiertheims zugunsten von Baden-Baden entschieden.
1718 Seither ist der „Schauertag“ nachweisbar, an dem die alljährliche Verlosung der Allmend- und Gemeindewiesen unter den Bürgern durchgeführt wird. Aus gegebenem Anlass zahlt die Gemeinde jedem Bürger einen Umtrunk bestehend aus Wein und Brot. Um 1800 verliert sich der Brauch.
1740-43 Umfassende Erneuerung der St. Michaelskapelle nach Plänen von Johann Michael Ludwig Rohrer.
1772 Pflanzung der kanadischen Silberpappel auf dem Gelände des späteren Stephanienbades durch Markgraf Karl Friedrich.
1780 Bau des Stephanienbades durch den Werkmeister Joseph Berckmüller.
1800 Seither verkauft die Gemeinde Beiertheim weite Teile ihrer ursprünglich 435 Hektar umfassenden Gemarkung an die aufstrebende Stadt Karlsruhe. Das Gelände um das Ettlinger Tor, der heutige Festplatz, der neue Hauptbahnhof, das Vincentiuskrankenhaus, die Kriegstraße sowie die Südstadt, die Südweststadt, der Stadtgarten und Teile der Weststadt werden auf ehemaligem Beiertheimer Gebiet errichtet.
1805 Brand des Stephanienbades.
1808 Wiederaufbau des Stephanienbades nach Plänen von Friedrich Weinbrenner. Es wird 1811 eingeweiht.
1809 Beiertheim, das bisher zum Landamt Ettlingen gehörte, wird dem Landamt Karlsruhe unterstellt.
1817 Bau des Tanzhauses durch Friedrich Weinbrenner.
1820 Etwa um diese Zeit wird Beiertheim zum Ausflugsziel und Badeort der Residenzstadt Karlsruhe.
1823 Die Gemeinde zählt 492 Einwohner.
1831 Bau des Rat- und Schulhauses.
1859 Ein Rechtsstreit zwischen Beiertheim und Karlsruhe wegen der Abtretung des Sallenwäldchens wIrd zugunsten von Karlsruhe entschieden.
1862 Gründung des Gesangsvereins „Freundschaft“.
1875 Die Gemeinde zählt 1.498 Einwohner. Bau eines neuen Rathauses.
1876 Der Karlsruher Bürgermeister Karl Schnetzler schlägt vor, Beiertheim einzugemeinden, um der Raumnot der Stadt an ihrer südwestlichen Begrenzung abzuhelfen.
1880 Der Hannoveraner Carl Knust erwirbt das Stephanienbad für 48.000 Mark. Er läßt am Stephanienbad eine neue Flussbade- und Waschanstalt an der Alb unter Mithilfe von Prof. Josef Durm bauen.
1884 Gründung der Beiertheimer Turnerschaft.
1898 Gründung des Beiertheimer Fußballvereins.
1903 Erweiterung des Stephanienbades zum „Ersten Karlsruher Licht-, Luft- und Sonnenbad“. Kurz darauf kommt es wegen des Baus des Karlsruher Hauptbahnhofes zu mehrjährigen Enteignungsprozessen, die das Gebiet um das Stephanienbad zum Gegenstand haben.
1905 Der Bade- und Waschbetrieb am Stephanienbad muss eingetellt werden. Die kanadische Silberpappel, größte Pappel Europas, wird gefällt.
1906 Stiftung des Arbeitergesangvereins „Freiheit“.
1907
1. Januar:
Eingemeindung nach Karlsruhe. Der Ort zählt 2.280 Einwohner.

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Quelle
Manfred Koch, Karlsruher Chronik. Stadtgeschichte in Daten, Bildern, Analysen, Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Band 14, Karlsruhe 1992.

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Historische Bilder